Fünf Tage nach dem Abschlusskonzert der STONES NO FILTER-Tour haben die Rolling Stones die siebte Folge ihrer Archivserie FROM THE VAULT veröffentlicht: NO SECURTY. SAN JOSE ´99. Das komplette Konzert aus der San Jose Arena vom 19. April 1999. Der erste von zwei aufeinander folgenden Abenden in dieser Halle.
Ein zweifellos geschickter kommerzieller Schachzug, denn die NO SECURITY-Tour ist durchaus mit STONES NO FILTER vergleichbar.
Die Stones bestritten NO SECURITY in der üblichen Besetzung – Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts und Ron Wood plus Mietbassist Daryl Jones – und den Begleitmusikern Chuck Leavell (Keyboards – Chorgesang), Bobby Keys (Saxophon), Tim Ries (Saxophon / Keyboards), Micheal Davis (Posaune), Kent Smith (Trompete) sowie Lisa Fischer, Bernhard Fowler und Blondie Chaplin (Chorgesang). Chaplin spielte, wenn er nicht sang, zeitweise auch akustische Gitarre.
Nach der Welttournee BRIDGES TO BABYLON von 1997 - 1998 wollten es die Stones auf ihrer US- und Europa-Tournee NO SECURITY von Januar bis Juni 1999 ruhiger angehen lassen. Statt Kapazitäten bis zu 100.000 Plätzen jetzt Locations bis maximal 50.000 Zuschauern. Ausnahmen bestätigten die Regel.
Und kein großes Showbrimborium. Neben dem dezenten Einsatz der Lichtanlage und war eine zweite, weitaus kleinere Bühne im Zuschauerinnenraum, die von der Hauptbühne über einen schmalen, leicht erhöhten Gang erreichbar war, das einzige „Gimmick“. Es gab also eine a-stage und eine b-stage.
Die Musik sollte wieder im Mittelpunkt stehen. Und der Stadionrock sollte entschlackt, die Musik wieder „down to earth“ gebracht werden. Dementsprechend wurden die Bläser und die Begleitsänger, zusammen und auch getrennt, nicht bei allen der aus 18 – 20 Songs bestehenden Setlist eingesetzt.
Das Programm bestand aus drei Teilen: Nach dem Video-Intro über den (in San Jose über der Bühne hängenden Bildschirm) spielten die Stones auf der Hauptbühne (a-stage) 12 Songs.
Dann ging es für Jagger, Richards, Watts und Wood plus Jones und Leavell für drei Songs auf die b-stage. Und danach für weitere vier Songs plus einer Zugabe zurück auf die a-stage. Die restlichen Begleitmusiker hatten zwischenzeitlich auf der a-stage Pause. Der Chor wurde songweise von der a-stage us eingesetzt.
In San Jose sah das Programm folgendermaßen aus:
video intro
a-stage:
01. JUMPIN´ JACK FLASH
02. BITCH
03. YOU GOT ME ROCKING
04. RESPECTABLE
05. HONKY TONK WOMEN
06. I GOT THE BLUES
07. SAINT OF ME
08. SOME GIRLS
09. PAINT IT BLACK
band intro
10. YOU GOT THE SILVER – Keith Richards
11. BEFORE THEY MAKE ME RUN – Keith Richards
12. OUT OF CONTROL
transfer to b-stage
b-stage:
13. ROUTE 66
14. GET OF OFF MY CLOUD
15. MIDNIGHT RAMBLER
transfer to a-stage
a-stage:
16. TUMBLING DICE
17. IT´S ONLY ROCK ´N´ ROLL
18. START ME UP
19. BROWN SUGAR
20. SYMPATHY FOR THE DEVIL (Zugabe)
FROM THE VAULT – NO SECURTY. SAN JOSE ´99 gibt es, wie immer in dieser Serie, in vier Versionen: als DVD/CD-Set und nur als DVD und Blu-Ray.
Die DVD enthält das komplette Programm, die CD nur die Setlist der Stones. Auch wie immer in dieser Serie.
Das Konzept „down to earth“ ist in San Jose voll aufgegangen. Die Stones klingen auf allen Songs wie auf den mir bekannten Film- und Tonaufnahmen von STONES NO FILTER, nur knapp 20 Jahre früher.
Egal ob es sich dabei um die Songs in voller oder in reduzierter Besetzung, d. h. nicht mit allen Begleitmusikern handelt. Rhythm & Blues, direkt auf den Punkt gespielt. Und – bis auf die Computerrhythmen auf SYMPATHY FOR THE DEVIL – ohne Keybordzugekleister. Ein Konzert, das von Stones plus Daryl Jones und Chuck Leavell getragen wird.
Die Bläser und der Chor werden „dezent“ und damit umso effektvoller eingesetzt. Wie auf I GOT THE BLUES und auf SYMPATHY FOR THE DEVIL, das hier dadurch ein (zumindest für mich) neues Arrangement und Feeling erhält. Desgleichen der Hintergrundgesang, z. B. auf YOU GOT ME ROCKING und HONKY TONK WOMEN.
Und dann Songs wie RESPECTABLE und ROUTE 66, die rein von der Urbesetzung mit Jones und Leavell gespielt werden.
Stones ungefiltert, so wie sie klingen müssen.
Höhepunkte? Die gesamte Setlist bis zur Rückkehr auf die a-stage. Hervorzuheben wären OUT OF CONTROL, dass zum legitimieren Nachfolger inzwischen überstrapazierten MIDNIGHT RAMBLER werden und ROUTE 66, mit dem die Stones kurzzeitig ins Marquee und in die anderen Clubs in der Frühphase ihrer Karriere zurückkehrten.
Die nach der b-stage dann das Konzert beendenden „Stones No Risk“-Songs einfach zu sehr business as usual.
Angesichts dessen, was vorher gespielt wurde. Wenn man aber bedenkt, dass hier 15 von 20 Songs von der Auswahl und Zusammenstellung absolut spannend sind und musikalisch in absoluter aber handgemachter Perfektion gebracht werden, ist hier jede Kritik eigentlich wenig gerechtfertigt. Aber Alternativen wären hier schön gewesen.
Nicht besonders erwähnen muss man, dass der Sound wie immer in dieser Serie brilliant ist.
Eine Live-Aufnahme in vollem Stereo. Das Bild ist exzellent.
Der Vergleich der NO SECURITY-TOUR mit STONES NO FILTER zwingt sich durch die Songauswahl und die Arrangements der Lieder grade zu auf. Und durch die Spielfreude und den Spaß, den alle auf der Bühne hatten. Zumindest in San Jose.
Es ist aktuell noch völlig offen, ob STONES NO FILTER offiziell vermarktet wird. Und wenn, ist natürlich auf völlig offen, wann. FROM THE VAULT – NO SECURITY. SAN JOSE ´99 wäre vielleicht eine vorläufige Alternative für die, die sich im vergangenen oder in diesem Jahr dem kommerziellen Overkill hingegeben haben. Und für alle natürlich eine neue sehr gute Live-Veröffentlichung.
trablu
PS: Das Archiv der Rolling Stones soll übrigens „mighty“ sein.