Bruce Springsteen - Hannover 28.05.13

Gute Musik aus Blues, Rock und R&B
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trablu
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Bruce Springsteen - Hannover 28.05.13

Beitrag von trablu »

“Moin, Moin Hannover. Es ist schön, euch zu sehen.”
Mit diesen Worten begrüßte Bruce Springsteen am Dienstag Abend - mit einer Verspätung von 35 Minuten – sein Publikum in der AWD Arena in Hannover.

Und dann folgte, beginnend mit LAND OF HOPE AND DREAMS und endend mit LIGHT OF DAY ein musikalischer Kraftakt, der, wenn man ihn nicht live erlebt hat, schwerlich nachzuvollziehen sein dürfte.
Begleitet von seiner inzwischen um elf auf insgesamt sechzehn Köpfe erweiterten E Street Band spielte Springsteen ein Konzert, dessen Hauptteil 23 Songs umfasste und 2 Stunden und 40 Minuten dauerte. Ohne Pause. Das heißt, auch ohne lange Unterbrechungen zwischen den Stücken. Der Wechsel von Instrumenten war kaum wahrnehmbar und wurde wenn, von Springsteen durch Zwischenansagen kaschiert.

Mit dem fünften Stück durfte dann zum ersten Mal an diesem Abend das Publikum das Programm „mitbestimmen“.
In den Springsteen-Konzerten ist irgendwann eingeführt worden, dass das Publikum mögliche Liedwünsche auf teilweise sehr fantasievoll gestaltete Pappplakate schreibt und diese dann hochhält. Sieht albern aus, hat aber was.
Springsteen hat also gut vor Augen, was seine Zuschauer denn gerne so hören würden. Und geht nach Lust und Laune dann darauf ein, indem er sich das Plakat geben oder – wenn sich das Schild in der zwanzigsten Reihe befindet (!), nach vorne durchreichen lässt. Dann zeigt er das Teil der E Street Band und das Lied wird dann sofort (!), bzw. dann, wenn Text, Tonart und gegebenenfalls Akkorde auf dem/den Telepromptern, die auf der Bühne stehen, erscheinen, gespielt.
Springsteen hat auf diese Weise auf der seit März 2012 laufenden WRECKING BALL-Tour, deren Konzert Nr. 108 Hannover war, bereits 199 verschiedene Songs gespielt.

Und wenn andere Plakate hochgehalten werden, kein Problem. „Can you please dance with my sister?“ Selbstverständlich. Die Dame wird im Zugabenteil bei DANCING IN THE DARK auf die Bühne gehoben und “tanzt” mit Springsteen. Und die Erfüllung anderer Wünsche des Publikums? Na klar.
Da fragt eine andere Frau Springsteen, der gerade durch den Bühnengraben tobt, ob sie denn mit ihm Rythmusgitarre spielen dürfe. Nach kurzer Diskussion zwischen den beiden – im Hintergrund donnert die E Street Band munter weiter, kommt auch diese Dame auf die Bühne, bekommt vom Stage Manager eine Akustikgitarre umgehängt, und schrubbt mit ihrem Idol einen ab. So gab es hier in einem Lied 2 „special guests“ hintereinander.
Oder Springsteen sucht sich im Publikum seine Teilzeitmitstreiter selbst. So wird regelmäßig bei WAITIN´ ON A SUNNY DAY ein Kind gesucht und kriegt das Miko für einen Solorefrain. Springsteen bittet das laut jubelnde Publikum dann per Handzeichen um Ruhe. Sein Gespür, ein Kind zu finden, das garantiert nicht singen kann, ist beachtlich. Dass es für mich Körperverletzung ist, Kinder unter 14 Jahren mit in Konzerte dieser Dimension zu nehmen, tut hier nichts zur Sache …

Aber das Publikum leistet in den Konzerten auch für Springsteen einiges. Da werden ihm während seines Gerennes durch den Sicherheitsgraben auch schon mal Getränke angeboten. Zum Beispiel ein noch randvoller Becher mit einem halben Liter Bier. Springsteen nimmt das Getränk, hält es hoch, stößt imaginär auf Hannover an – und leert den Halben auf ex.
Dann kommt, wie passend, HUNGRY HEART. In der danach folgenden gesprochenen Einleitung zu SPIRIT IN THE NIGHT geht es dann um Geistiges und um die Erleuchtungen, die Springsteen zwei Abende zuvor im Regen und in der Kälte in München hatte. Seine Erleuchtung war – das er noch ein weiteres Bier braucht.
Und rennt wieder den Seitengang entlang, an dem er das erste Bier bekommen hat und wo ihm auch jetzt bereitwillig der zweite, nicht mehr randvolle Becher gereicht wird. Auch dieses Getränk wird in einem Zug geleert. Bedankt hat er sich dafür natürlich auch – „danke!“. Nach SPIRIT dann nur der kurze Hinweis an alle, dass er jetzt die beiden Biere merkt …

Irgendwann ist dann der Hauptteil zu Ende. Der „Performance-Teil“ (Musik und Ansagen) betrug in den 2 Stunden und 40 Minuten ca. 2 Stunden und 35 Minuten.

Alle verlassen für ca. eine Minute die Bühne. Dann kommt Springsteen zurück und spielt solo den vierten und letzten „Plakatwunsch“ des Abends, ROLL OF THE DICE.
Danach gibt´s zu BORN IN THE USA dann wieder die komplette E Street Band. Es folgen 6 weitere Stücke.
Wieder alles ohne wahrnehmbare Pausen und unter Volldampf. Mit AMERICAN LAND endet dann nach insgesamt 40 Minuten der Zugabenteil. Vor einem „thank you, you´re a fantastic audience“ verabschiedet sich Springsteen mehrfach mit „wir lieben euch alle“.

Was bleibt?

Ein normales Konzert einer normalen Europa-Tournee eines amerikanischen Künstlers, das insgesamt 3 Stunden und 20 Minuten gedauert hat und das von 17 Musikern und Musikerinnen dargeboten wurde, deren Zusammenspiel eine einzigartige musikalische Einheit bildet. Diese Band ist so eingespielt und aufeinander abgestimmt, dass alles völlig lässig dargeboten wird.

42 Jahre nach Gründung der E Street Band spielt Bruce Springsteen heute die mit besten Konzerte seiner Karriere als Livemusiker.

Er ist kein Entertainer wie Eric Clapton oder die Rolling Stones, sondern ein Performer wie Van Morrison und Neil Young. Der Unterschied zwischen Springsteen und Clapton besteht – vom Musikgenre grundsätzlich abgesehen (Rock gegen Blues/Bluesrock) – darin, dass der Entertainer dem Publikum gibt, was es will, der Performer dagegen, was es (seiner Meinung nach) braucht.
Ohne ein Clapton- oder Springsteen-Konzert zu besuchen, wird dieser Unterschied überdeutlich, wenn man sich z. B. auf setist.fm die Setlists 2013 beider Künstler ansieht.

Bruce Springsteen & The E Street Band sind 2013 das mit Beste, was es live gibt.

trablu

Quellen: AWD Arena Hannover, setlist.fm und stonepony.de
Jester
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Registriert: Do 5. Jan 2012, 10:05

Re: Bruce Springsteen - Hannover 28.05.13

Beitrag von Jester »

Moin Moin,

ich freu mich schon verdammt auf Springsteen hier in Leipzig. Mir wird in deinem Bericht aber nicht so klar, was du meinst mit "Clapton gibt dem Publikum was es will". Das Gefühl hab ich oft nicht...
trablu
Beiträge: 88
Registriert: Do 5. Jan 2012, 11:40

Re: Bruce Springsteen - Hannover 28.05.13

Beitrag von trablu »

Hallo Jester (und alle anderen natürlich auch),

Clapton spielt pro Tour ein vorab festgelegtes Programm, das sich sehr stark an den Vorstellungen und Wünschen des Publikums orientiert und setzt damit auf Sicherheit.

Mit „Publikum“ sind hier nicht irgendwelche Honks irgendwelcher Fan-Foren gemeint, die schon gefühlte 1.000 Konzerte gesehen haben und damit mit sehr eigenen Erwartungen die Eintrittskarten kaufen. Sondern Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller. Die eine genaue Vorstellung haben, was sie hören wollen – nämlich die „greatest hits“ – COCAINE, I SHOT THE SHERIFF, LAYLA und WONDERFUL TONIGHT. Und die Gewissheit, dass sie eine große Auswahl dieser Lieder auch garantiert bekommen werden.

Springsteen dagegen variiert von Abend zu Abend. Das heißt, das Programm wird direkt vor dem jeweiligen Konzert festgelegt. Und dann noch während der Show abgeändert.
Das Publikum kauft hier bewusst das musikalische „Ü-Ei“. Und ist dementsprechend nicht ansatzweise enttäuscht, wenn etwas fehlt. THUNDER ROAD z. B. wurde in Hannover nicht gespielt. Und von niemandem vermisst.

trablu
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